WerkeAusstellungenAktuellesVita
Werkwürdigungen

Bettina Schirdewan

Kunstwissenschaftlerin

Eröffnungsrede zur ersten Ausstellung
Berliner Galerie Mitte, 1988

Die Beschäftigung mit Stilleben gibt Adelheid Sandhof die Möglichkeit, formale und farbige Gesetze kennenzulernen, Wirkungen zu beobachten, zu verfolgen. Positionen eröffnen neue Möglichkeiten. Die Künstlerin entdeckt für sich die Variationen eines Themas. Seit Anfang der 80er Jahre entstehen vorwiegend Stilleben und Collagen. Dieser Entdeckung ging nichts Spektakuläres voraus, aufwendig konnte die Motivsuche nicht sein, denn da waren die Kinder und deren Zuneigung und Erwartungen.

In dem Haus, in dem sie leben, befindet sich das Atelier. Hier werden auch die Gegenstände aufbewahrt, die dann sorgfältig ausgesucht, einander zugeordnet im Bild wiedergefunden werden. Oft sind es Dinge, die ihren eigentlichen Gebrauchswert scheinbar schon vergeben haben: getönte Flaschen, Schalen, Zeitungsblätter, Stoffreste, Zuckertüten, aufgespannte Fächer u. a. Eine Sammlung aus täglich Notwendigem und der stillen Welt der Träume.

Adelheid Sandhof fühlt sich einer künstlerischen Auffassung verbunden, deren Ausgangspunkt „die visuelle Widerspiegelung“ ist. Dabei geht es weniger um die Konkretheit der Gegenstände, sondern vielmehr um deren Direktheit. Sandhof gestaltet, doch sie gestaltet so, dass die Dinge ihr Recht auf Eigenwert spürbar machen. Die Existenz dieses Eigenlebens bindet an bestimmte Gesetze. Vielleicht ist gerade das die Voraussetzung, die das Verlangen weckt, Festgelegtes und Feststehendes angreifbar werden zu lassen. Für die Künstlerin wird dies wichtig, sie kommt kontinuierlich zur Erweiterung des Formgedankens, wird großzügiger in der Anordnung der Form- und Farbgruppierungen. Die Farbigkeit wird bis in feinste Sensibilität erhöht. Farbtiefe und Farbstruktur gibt es kaum, auf Strahlkraft verzichtet sie. Lichtquelle wird das Weiß, manchmal übermalt, bricht es die andere Farbe und setzt lichte Punkte. Die Farbpalette spannt sich von kühlen Graugrün-Tönen bis rosaviolett. Allein im Atelier wird erdacht, verändert verworfen, diszipliniert. Skizzen entstehen, Vorarbeiten entwerfen die Komposition. In den Aquarellen setzt die Farbe wesentliche Akzente. Adelheid Sandhofs Bilder sind mir in Erinnerung in verhaltener, kluger, ernster Zartheit. Emotion wird hier reflektierender Faktor. Symbolisches ist bei Sandhof nicht gemeint. Ihre Bilder sind von klarer Natürlichkeit, dennoch lassen sie die Möglichkeit einer hintergründigen Entdeckung offen, z. B. die Stilleben in begrenzten Innenräumen. Diagonale und Senkrechte teilen auf und setzen Begrenzungen. Sie erinnern an das Gefühl der Unsicherheit in jedem von uns, das ja an und für sich nicht unangenehm ist, steht dahinter ein unbändiger Sinn.

Sandhof lässt Spielraum für Berührungspunkte, probiert aus, erweitert dadurch ihr Realitätsgefühl und Sehfeld. Neben der Suche nach künstlerischer Ausdrucksform ist in den Arbeiten Adelheid Sandhofs der Gehalt der Gestaltung wesentlich. Durch ihre persönliche innere Anteilnahme suggeriert die Künstlerin uns durch diese Stilleben, Collagen und Materialbilder ein reiches Beziehungsgeflecht. Für das Suchen nach Stabilität und Ausgewogenheit gibt es keine Konstante.

In ihrem Werk steht das Bemühen, die künstlerische Haltung zu entwickeln und darüber ein bestimmtes Lebensverhältnis zu vermitteln, aus sich heraus zu schöpfen, die natürliche Ordnung der Dinge des Lebens aufmerksam beobachten und die Empfindungswelt anderer über die Begegnung mit sich selbst zu berühren.